MINIATUREN: SCHNITZEN VON OBSTKERNEN, TAGUANÜSSEN, HORNSPITZEN
1973 wurden die Sommerferien vollständig verregnet. Es war kein geeignetes Holz zu finden. Ich wurde immer unruhiger, weil meine Hände unbedingt beschäftigt werden wollten. Etwas verzweifelt ass ich eine Aprikose. Statt den Kern weg zu werfen, drehte ich ihn unschlüssig in den Händen. Plötzlich erkannte ich, dass dies ja auch schnitzbares Material sein könnte. Ich holte meine Schnitzmesser und begann zu arbeiten.

Es zeigte sich dabei eine neue Herausforderung: Obstkerne sind ausserordentlich hart. Es braucht sehr viel Kraft, präzise Schnitte anzubringen. Dabei muss der Kern zwischen Daumen und Zeigefinger festgehalten werden. Als Widerlager dient der Daumen der Hand mit dem Messer. Bedingt durch die Kleinheit des Materials sind die Schnitte auch sehr klein. Es kann deshalb am Anfang oft geschehen, dass das Messer statt des Kerns eben den Daumen trifft.

Mit der Zeit hatte ich genügend Fertigkeit, immer feinere Strukturen herauszuholen und dabei auch immer weniger den Daumen zu treffen. Da ich mit blossem Auge nicht alle Feinheiten erkennen konnte, arbeitete ich mit Uhrmacher- oder Briefmarkenlupen. Es entstanden Figuren aus Aprikosen-, Pfirsich-, Pflaumen- oder Kirsch- und Olivenkernen. Meine Familie befürchtete, dass ich schliesslich bei Erdebeerkernen landen könnte! Heute arbeite ich vornehmlich mit Aprikosenkernen oder Taguanüssen. Die Letzteren werden auch botanisches Elfenbein genannt, weil sie in Aussehen, Härte und Zähigkeit diesem Material gleichen. In Asien werden diese Nüsse mehr und mehr als Ersatz zum kaum mehr erhältlichen echten Elfenbein zur Herstellung von Schmuck oder Siegeln verwendet.